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Lehren PC-Spiele das  Töten?

Beunruhigende Befunde, aber noch keine  Langzeitstudien

Massaker Jugendlicher lassen weltweit stets ebenso Entsetzen wie Diskussionen  über die Ursachen aus - vor allem, wenn die Täter sich zuvor intensiv mit  brutalen Video- und Computerspielen beschäftigt haben. Das war so nach dem  Amoklauf im vergangenen Jahr in Erfurt wie auch vorherigen ähnlichen Fällen in  den USA: Littleton (Colorado), Paducah (Kentucky) und Jonesboro (Arkansas). Doch  an der medialen Szene des virtuellen Tötens änderte sich damit nichts. Auch der  Deutsche Lehrerverband beklagte kürzlich, dass Schüler nach wie vor solcher, in  ihrer Wirkung unterschätzten Gewalt ausgesetzt seien.

Wissenschaftliche Befunde dürften ebenfalls dazu beigetragen haben, dass sich  nichts änderte, wie ein Beitrag der Zeitschrift "Gehirn&Geist" (Heidelberg,  2/2003) über Untersuchungen zur Auswirkung von Video- und Computerspielen auf  Heranwachsende deutlich macht. Die Auswirkungen würden "kontrovers diskutiert",  heisst es da. Es gebe "reichlich Argumente gegen eine pauschale Verdammung"  solcher Spiele. Dauerhafte emotionale Auswirkungen seien nach wie vor nicht  belegt. "Es fehlt hier schlicht an entsprechenden Langzeitstudien".

US-Militär: Kriegsvorbereitung am PC

Immerhin gibt es eine ganze Reihe sehr beunruhigender Befunde. Darunter die  von Dave Grossman, der Psychologie an der US- Militärakademie in West Point  unterrichtete und nach dem Amoklauf eines Schülers in seinem Heimatort Jonesboro  eine eigene "Research Group" bildete. Seine These: Insbesondere die so genannten  Ego-Shooter bringen Kindern das aktive Töten bei. Er verweist darauf, dass beim  amerikanischen Militär Spiele wie "Doom" bei der Vorbereitung auf den realen  Kampf ganz gezielt eingesetzt würden. Es gehe dabei darum, das Schießen auf  Menschen zu "konditionieren", also einen Reflex auszulösen - und so den  "biologisch machtvollen Widerstand, einen Artgenossen umzubringen", zu  brechen.

Wie hoch diese Hemmschwelle ist, zeigte sich nach einer amerikanischen Studie  im Zweiten Weltkrieg: Nur 15 Prozent der Soldaten schossen demnach tatsächlich  gezielt auf ihre Feinde. Die Mehrheit habe lieber absichtlich daneben gezielt.  Schon im Vietnam- Krieg war dann laut Grossman durch Training zu reflexartigem  Schießen die Rate der gezielten Schüsse auf 90 Prozent gestiegen. Heute üben  Soldaten und Polizisten mit Computersimulationen, die dann in kaum abgewandelter  Form auf den Spielemarkt kommen - und Kinder zum Töten konditionierten, wie  Grossmann überzeugt ist.

Als Beispiel nennt er den 14-jährigen Michael Carneal, der 1997 in Paducah  binnen zwanzig Sekunden acht Mal auf acht verschiedene Kinder schoss. Jeder  Schuss war ein Treffer in den Oberkörper oder Kopf. Er hatte noch nie zuvor eine  echte Waffe in der Hand gehabt.

 

PC-Simulation beeinflusst Gehirnaktivität

Auch eine Gehirnstudie von Wissenschaftlern der University of Indiana (USA)  unter Leitung von Vincent P. Mathews zeigt die potenziellen Gefahren von  Videospielen auf. Mittels der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT)  konnte sie einen nachhaltigen Einfluss gewalthaltiger Spiele auf den  Frontallappen nachweisen. Hier befindet sich eine Emotionen, Triebe und Impulse  kontrollierende Instanz. Während des Simulierens von Gewalt verringert sich  offenbar die Aktivität in diesem Gehirnareal. Diese Verringerung stand bei der  Untersuchung eindeutig in Beziehung damit, wie viel Zeit die Kinder im Jahr  zuvor mit gewalthaltigen Medien verbracht hatten.

Rhyuta Kawashima von der Universität Tokio kam bei ähnlichen Untersuchungen  zu der Vermutung, dass die Entwicklung des Frontallappens durch eine solche  Aktivitätsverringerung gebremst oder sogar verhindert wird. Was dann zur Folge  hätte, dass computerspielende Kinder nur schlecht in der Lage wären, die in  ihnen schlummernden aggressiven Tendenzen zu kontrollieren.

Entscheidende Komponente: Eltern-Kind-Bindung

In einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins "Rubin" (Bochum) stellen die  Motivationspsychologen Rita Steckel und Clemens Trudewind von der  Ruhr-Universität Bochum die Bedeutung der Rolle der Eltern heraus. Sie konnten  in einer Studie mit 280 Schulkindern im Alter zwischen acht und 14 Jahren  nachweisen, dass eine sichere Eltern-Kind Bindung sowohl die unmittelbaren  Auswirkungen als auch langfristige Folgen von Gewalt in Computerspielen mildert.  "Dass Eltern wissen, mit welchen Spielen ihre Kinder umgehen, dass sie mit den  Kindern über die Spiele reden und Werte bezüglich Gewalt vermitteln, die sie  gegebenenfalls auch mit Verboten durchsetzen sollten - vielleicht ist das die  wichtigste praktische Konsequenz, die sich aus unserer Untersuchung ergibt",  schreiben sie.

Sie relativiert deutlich eine Behauptung des "Gehirn&Geist"- Beitrags:  "Aus den Kinderzimmern wegzudenken sind Computerspiele ohnehin nicht mehr". Wenn  der Gesetzgeber die Befunde der Wissenschaft nicht für ausreichend hält, um  diese Spiele aus den Kinderzimmern verschwinden zu lassen, so halten doch  möglicherweise immer mehr Eltern die Befunde durchaus für ausreichend dazu. ”

(N24.de, dpa)